„Ich bin dann eben mal weg.“ Raus aus dem Alltag, fern aller Routine etwas Neues entdecken und erleben. Wer kennt diese Sehnsucht nicht? Aber nach jedem Urlaub holt uns doch der Alltag wieder ein. Wer von uns wäre wirklich bereit für ein Abenteuer, welches unser Leben nicht nur für 1-2 Wochen, sondern dauerhaft umkrempeln würde?
Manche tun es wirklich. Sie geben alles auf, ziehen um und wollen anderswo ein neues Leben beginnen. Auf einer Waldwanderung sind meine Frau und ich vor vielen Jahren einem Einsiedler begegnet, der sich in einer Höhle wohnlich eingerichtet hatte. Ein bisschen extrem und wahrscheinlich für die meisten Menschen nicht nachvollziehbar.
Angesichts solcher „Beispiele“ finden wir uns damit ab, dass in unserem Leben doch alles besser so bleiben sollte, wie es ist. Aber auch das ist nicht der Plan Gottes für Menschen, die zu ihm gehören wollen. Er will unsere Routine umgestalten. Wie das genau funktionieren kann, wollen wir uns am Leben des Simon Petrus genauer ansehen.
Der Bericht über ihn im Neuen Testament ist durch und durch glaubhaft. Nichts wird beschönigt. Gute und schlechte Momente in seinem Leben folgen oft dicht hintereinander. Doch wer war er? Ein Mann mit einem Beruf, der ihn viele Stunden des Tages und oft auch nachts auf den Beinen hielt. Nachts ging er fischen, tagsüber waren Ausbesserungsarbeiten an Boot und Ausrüstung fällig - ein eher unterbezahlter Job ohne Aufstiegschancen. „Na klar“, denken wir. „So jemand ist bestimmt schnell bereit, alles stehen und liegen zu lassen, wenn ihm jemand ein neues Leben verspricht.“ Auf den ersten Blick mag es tatsächlich so aussehen:
Für uns als Leser ist Simon an dieser Stelle noch ein unbeschriebenes Blatt. Doch Jesus weiß bereits, welches Potential in ihm steckt. Stellen wir uns das vor: Jetzt, wo dein Leben noch in seinen alten Bahnen verläuft, weiß Gott bereits, was auch aus dir werden kann. Ähnlich wie bei Petrus vermag er uns fortan in Situationen zu bringen, wo wir ermutigt werden, „auszusteigen“ - das Alte hinter uns zu lassen.
Jene Szene am See war der erste Schubs in die richtige Richtung. Doch nun muss es weitergehen. Lesen wir im Bericht von Lukas, der etwas ausführlicher schreibt:
Simon und Jesus kennen einander schon ein wenig und der Fischer ist gern bereit, sein Boot als eine Art schwimmendes Rednerpult zur Verfügung zu stellen. Hier haben wir ein erstes Stadium von Jüngerschaft. Bestimmte Zeiten sind für Gott reserviert. Aber allein diese Begegnung vermochte Simon noch nicht in die weitere Nachfolge zu rufen. Dann aber hat der Prediger aus Nazareth eine ungewöhnliche Idee: Nach einer erfolglosen Nacht sollen Simon und seine Kollegen erneut auf den See fahren und die Netze auswerfen. Obwohl das jetzt, mitten am Tag, nichts bringen kann, tun sie's. Einen gewissen Respekt bringen die Fischer dem Zimmermann schon entgegen. „Na gut, weil du's bist.“ Aber dann ...
Petrus begreift sofort, dass mehr als ein gewöhnlicher Mensch vor ihm steht. In seinem Schreck will er Jesus wegschicken. Aber eine neue Aufgabe wartet auf ihn und die anderen, symbolisiert durch den übergroßen Fang: Sie sollen Menschenfischer werden und andere für das Reich Gottes gewinnen. Daraufhin lassen sie alles stehen und liegen. Jetzt sind sie bereit mit Jesus zu gehen. Ein Boot, welches beinahe gesunken wäre, tauscht man gern gegen ein neues Leben ein. Allerdings wird es noch mehrere Bootslektionen brauchen, bis dem Fischer klar wird, worum es geht.
Das Boot des Petrus erweist noch so manchen guten Dienst. Es wird erneut zum Werkzeug für Gott, als es bei einer Überfahrt in einen starken Sturm gerät. Alle geraten in Panik, als immer mehr Wasser ins Boot hinein schwappt - nur Jesus schläft ruhig und friedlich.
In einem solchen Lebensstadium ist der Jünger Jesu schon weiter gekommen. Jesus ist nicht nur kurzer Gast im Boot - er gehört bereits fest mit dazu. Doch dann kommen Momente, wo Gott nicht sofort eingreift, wo er Dinge zunächst geschehen lässt, unsere Warum-Fragen unbeantwortet bleiben. Warum müssen wir uns so lange abmühen? Hat Gott die Kontrolle verloren? Was will er uns zeigen, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, wenn er erst im letzten Moment eingreift? Es muss etwas Wichtiges sein, etwas, das nicht gleich beim ersten Mal zu verstehen ist.
Damit sind wir bei der nächsten Bootsepisode angelangt. Jesus hatte seine Jünger mit dem Boot vorausgeschickt:
Schon wieder Sturm. Und erst gegen Ende der Nacht naht Hilfe. Das zehrt an den eigenen Kräften. Umso erstaunlicher ist es, dass jetzt einer der Bootsinsassen außergewöhnlichen Mut bekommt, obwohl auch er mit seinen Kräften eigentlich am Ende ist. Wir können uns bereits denken, um wen es sich handelt:
Was für ein Fortschritt! Es genügt dem Simon, der inzwischen auch Petrus genannt wird, nicht mehr, Jesus nur im Boot zu haben. Er steigt aus. Zwar verraten seine Worte noch einen gewissen Zweifel, zwar fängt er nach ein paar Schritten an zu sinken, zwar wird er von seinem Herrn als Kleingläubiger zurechtgewiesen, aber er wagt etwas, das sich die Anderen nicht getraut hätten. Wie klein muss deren Glaube erst gewesen sein!
Müssen wir nicht auch einmal unsere Wohlfühlzone verlassen? Bestimmt hast du schon einmal etwas für Gott gewagt. Vielleicht ist es zunächst nicht geglückt. Tröste dich! Petrus hat auch in vielem versagt. Nie jedoch konnte ein Tiefschlag ihn permanent aus der Bahn werfen. Nie hat er gesagt: „Das mache ich nie wieder.“ Diesen Willen zum Durchhalten trotz Fehlschlägen hat Jesus in Simon lange im Voraus gesehen und erkannt: Aus ihm kann ein Felsen werden. Aber das braucht Zeit, es geht nicht ohne das Risiko des Versagens. Es geht mit der Vergebung, die ein liebevoller Herr denen schenkt, welche ihm gehören wollen.
Die Zeit vergeht und es kommt die Stunde, wo Simon und die anderen eine letzte wegweisende Entscheidung treffen müssen. Sie haben das grausame Ende ihres Herrn miterlebt. Sie haben in jener dunklen Stunde ihre eigene Unzulänglichkeit klar vor Augen gemalt bekommen. Vor allem Petrus weiß jetzt: Nur aus eigener Kraft ist die Nachfolge nicht zu bewältigen. Man versinkt in den Wellen, schläft ein, wo Ausharren geboten ist, verleugnet seinen Herrn im entscheidenden Augenblick.
Wenn nun jemand kommt und Mut zuspricht, wird man ihm Glauben schenken? „Ich bin nicht gut genug“ - mit dieser Einstellung kämpfen Menschen bis heute, gerade all jene, die an der Schwelle zum Reich Gottes stehen. Wenn du aber das für dich erkannt hast, bist du im Glauben weiter als all jene, die sich weiterhin in ihrer Selbstgerechtigkeit sonnen.
Wiederholt sind die Jünger dem auferstandenen Jesus begegnet. Nur zögerlich können sie einordnen, was geschehen ist. Darf jemand dazugehören, der versagt hat? Die Antwort des Herrn ist eindeutig:
Galiläa - dort wo alles angefangen hat. Dort sind sie ihm zum ersten Mal begegnet. Dort liegt der See. Und irgendwo am Ufer, das gute alte Boot. Hier muss sich erweisen, wie es weitergehen wird. Wird es einen Neuanfang geben, oder bleibt es bei dem alten vertrauten Lebensumfeld?
Hier haben wir Menschen vor uns, die dem auferstandenen Herrn begegnet sind. Scheinbar hat sich nichts geändert. Die leeren Netze sprechen eine klare Sprache. Erkennen wir uns in diesen Menschen wieder? Es kann mitunter lange dauern, bis eine Erkenntnis vom Kopf auch ins Herz dringt und wir wirklich den entscheidenden Schritt wagen. Was wir dann brauchen, sind keine neuen Lehren. Eher eine Erinnerung. Ein weiteres Bootserlebnis ist noch nötig.
Welch ein Aha-Erlebnis! Jetzt begreifen die Jünger endgültig, wer da am Ufer steht, wer ihr Herr ist.